Fleisch
von
Klaus Peter Buchheit
München / Augsburg 2003 - 2005
Si c’est humide
C’est comme si
L’amour ou quelle
Terreur avait
Laissé sa trace
Jean Tortel
1.
Fleisch wollte
Fleisch also
bekam er
immer nur
sich selbst zu
Gesicht was
Fleisch langsam
zu einem
Schmorbraten
werden ließ
2.
einst wollte
Fleisch auch ein
Schmetterling
sein der in
Birmas Wald
umher fliegt
aber er
erzeugte
nur den Sound
des Klatschens
3.
die Jungen
wollten Fleisch
den Hunden
zum Fraß vor-
werfen doch
Fleisch ließ sich
den Arsch von
den Hunden
abschlecken
und lachte
4.
warum lässt
du nicht vom
Schinken ab
fragten sie
Fleisch weil ich
zum Schinken
strebe und
weil ich es
deshalb will
sagte Fleisch
5.
Fleisch ist auf
der Suche
nach einem
Knochen er
hat in der
Stadt Leere
und auf dem
Land Kom-
posthaufen
gefunden
6.
Fleisch sah den
Vogel auf
die Straße
scheißen sah
die Mutter
das Kind an
ihre Brust
halten und
wusste nicht
wohin schaun
7.
als sie Fleisch
sagten er
müsse noch
warten und
Geduld und
Contenance
haben fing
er an ganz
fürchterlich
zu stinken
8.
Fleisch ist ein
sinnloses
Gewebe
schreit sie ihm
kühl hinter-
her wenn es
mich wärmt und
ich noch nicht
verwes‘ ist’s
gut denkt er
9.
jede Por‘
tut ihm weh
was mussten
sie Fleisch auch
so lang in
der Röhre
lassen er
hätte schon
längst in die
Welt gehört
10.
Faserriss
dachte Fleisch
jetzt hat es
mich erwischt
ach was ach
wo winkt sie
ab alles
Einbildung
also komm
endlich her
11.
mit einer
heißen Pfann‘
ließe ich
nie einen
Braten an-
brennen mit
einer Pfann‘
wär ich das
schärfste Ding
träumte Fleisch
12.
Fleisch schaute
an einem
warmen Tag
die Brüste
der Frauen
an und war
er konnte
es sich nicht
verschweigen
sehr entzückt
13.
Fleisch wollte
auch Frieden
aber er
verdiente
sein Geld nicht
damit wie
andere
die auch mit
dem Krieg Geld
verdienten
14.
die Reichen
die seien
korrupt und
schlügen sich
die Seele
ein sagte
man Fleisch er
glaubt es nicht
das sind doch
nur Menschen
15.
alter und
fetter Schlips-
träger und
Kostümhur‘
hüpfen durch
die Straße
und rülpsen
ein Grüß Gott
Fleisch ins Haar
Fasching ist
16.
wenn wenig
Fleisch hat und
sie nehmen
ihm davon
die Hälfte
töten sie
ihn die da
oben die
von uns un-
ten nehmen
17.
poetry
slam mit ob-
ligatem
Hinterher-
fest da geht
Fleisch lieber
an die Wurst-
bude und
murmelt sich
einen Vers
18.
Fleisch tanzte
auf einem
Bein im Park
und dachte
er sei ein
Kranich nun
da kam ein
Hund daher
und pisste
ihm ans Bein
19.
ach wie ist
mir mein Po
so kalt so
fürchterlich
kalt dachte
Fleisch entsetzt
und hielt schnell
denselben
in die Sonne
vor dem Klo
20.
beim in der
Nase mit
dem Finger
Bohren kam
Fleisch eine
Idee er
wollte jetzt
absolut
und für ganz
lang Kunst sein
21.
und jetzt lass
dir halt auch
mal etwas
sagen du
rohes Stück
sagte die
Zwiebel zu
Fleisch dem die
Augen ganz
feucht wurden
22.
Gemüse-
brühe hast
du im Hirn
Püree in
den Armen
sämige
Sauce in
den Eiern
sagt Fleisch sich
am Morgen
23.
Fleisch fegte
den Gehweg
im Park vor
seinem Haus
denn seine
Liebste die
wollte heut‘
kommen und
dann gehen
beide aus
24.
Fleisch wurde
nicht mehr froh
wenn sie ihn
hinab in
den Keller
schickten um
sich auf Eis
zu legen
um im Eis
zu leben
25.
im Abfluss
da sah Fleisch
das Leben
wie es geil
Insekten
besprang na
und brüllte
es ihn an
so ist das
eben hier
26.
beim Scheißen
seinen Schwanz
in der Hand
bemerkte
Fleisch dass nur
die Kunst ihn
irgendwann
verstehen
werde auf
der Erde
27.
also das
ist Fleisch von
deinem Fleisch
dachte Fleisch
und sprang kopf-
über in
den Spalt der
sich unter-
halb ihres
Bauchs auftat
28.
es zuckte
in seinen
Gliedern und
juckte in
seinem Bauch
Fleisch fühlte
den Kosmos
mit jeder
Faser des
Leibs wieder
29.
schütteten
Wasser und
Öl über
ihn sagten
er sei ein
heiliges
Fleisch in ihm
werde Gott
sich endlich
uns zeigen
30.
dein Haar steht
dir gut schreit
Fleisch in die
Welt wenn du
dich umdrehst
und mir zu
lächelst bin
ich glücklich
für den Rest
meiner Zeit
31.
sollen sie
doch alle
an ihrem
Spaß und den
Sprüchen er-
sticken ich
steh‘ dachte
Fleisch auf das
was einfach
jetzt geschieht
32.
Fleisch fühlte
ihren Fuß
in seiner
Hand und schrie
den blauen
Himmel an
dass verdammt
nochmal das
ein gutes
Gebet sei
33.
ein kleines
Engelchen
mit Flügeln
dran durch die
man sehen
konnte flog
nachmittags
durch den Traum
von Fleisch der
ruhig schlief
34.
den Vater
drückte Fleisch
mit den Stuhl-
beinen an
die Wand du
bist tot schrie
er du warst
von meinem
Fleisch dein Geist
ist es nicht
35.
in einem
Baumwipfel
sieht Fleisch sich
sitzen sich
nicht trauend
auch nur den
großen Zeh
zu rühren
oder zu
erwachen
36.
an einem
sonnigen
Tag legt Fleisch
sich an den
Fluss der ihn
irgendwann
ohne zu
zögern und
zu zaudern
mit sich nimmt
37.
tief unten
im Wasser
begegnet
Fleisch seiner
Mutter sie
sehen sich
einander
lange an
dann nimmt der
Fluss sie fort
38.
ein Karpfen
hat den Schwanz
von Fleisch im
Maul und schmatzt
und schmatzt bis
das Wasser
zu Milch wird
zur warmen
Morgenmilch
ihrer Lust
39.
über die
Klinge springt
Fleisch direkt
in das Bad
der Liebe
hinein das
Wasser spritzt
hoch und ver-
saut die Schlaf-
zimmertür
40.
wenn über
den Tag Fleisch
alleine
ist legt er
sich unter
die Decke
und hört die
Stimme des
Wesens das
im Bad wohnt
41.
wenn Fleisch spricht
dann graben
die Vögel
Löcher in
die Erde
damit der
Wurm sie hört
bevor er
wortlos ge-
fressen wird
42.
scheiß dir nicht
ins Hemd Kind
den Vater
reut es schon
wenn er vor
der roten
Ampel steht
und den Kopf
gegen das
Lenkrad schlägt
43.
Vater auch
nach vielen
Schnäpsen
geistiger
Enthemmung
sprichst du mit
Fleisch nicht wie
man mit Fleisch
vom eignen
Fleische spricht
44.
wessen Wort
hältst du in
eisernen
Händen aus
hartem Erz
gegossen
wessen Wort
hältst du uns
denn hin Fleisch
weiß es nicht
45.
lös dich auf
lös dich doch
auf singt Fleisch
und zappelt
mit der Hand
mit dem Fuß
schwingt den Po
hin und her
lös dich auf
du Schaumbad
46.
Fleisch hüpft von
einem Bein
aufs andre
und schüttelt
den Kopf ein
Tier das glaubt
das Fressen
das da stand
sei seines
gewesen
47.
je merkte
Fleisch an dass
sie es doch
gewesen
sei die ihn
zuerst wahr-
genommen
hätte sie
schwieg höflich
und lachte
48.
ach wie sehr
lachte Fleisch
dass ihm die
Luft wegblieb
als er die
Bücher las
die sie ihm
gegeben
hatten sie
sind jetzt sein
49.
Fleisch kannte
jetzt eine
Müdigkeit
in seinen
Gliedern und
in seinem
Kopf deren
Grund nur die
ganze Welt
sein konnte
50.
ich küsse
ihre Hand
Madame singt
Fleisch vor sich
hin und denkt
in der Not
geben sie
Almosen
aber nicht
ihre Hand
51.
wirklichen
Ruch holt man
sich nicht bei
gekauften
Netzstrümpfen
entweder
du hast den
Schweiß am Bein
oder du
bist spießig
52.
die armen
Säue die
Fleisch nicht mehr
bedienen
wollen weil
er ärmlich
aussieht sie
sind arme
Säue die
im Arsch sind
53.
ich atme
in ihren
Ausschnitt und
die Brüste
werden hart
Madame sie
können es
nicht leugnen
denn Fleisch ist
niemals satt
54.
sie sitzt beim
Alten auf
dem Schoß und
hofft dass er
sie tragen
werde bis
sie weiß wen
sie will Fleisch
weiß dass das
nicht passiert
55.
der Alte
wird sie in
ihren Arsch
ficken und
dann sich den
Schwanz säubern
lassen und
sie auf die
Straße zu
Fleisch werfen
56.
Fleisch steht am
Baum und schaut
zu wie der
wächst schaut nicht
links nicht rechts
er will es
nicht wissen
will sehen
wie der Baum
empor wächst
57.
lass mich mit
Kapellen
römischen
Kirchen und
Altären
zufrieden
greint Fleisch was
wollen die
die gehen mich
nichts an
58.
Grunewalds
Hand des Herrn
hält im Fluss
das Denken
von Fleisch denn
ohne die
Hand wäre
Fleisch nur ein
armer und
blöder Depp
59.
und nicht das
große Wort
führe im
Mund wenn du
mir gestehst
dass du mich
liebst und mich
begehrst sprach
Fleisch zu dem
Baum vor ihm
60.
der Schnee schmilzt
runter vom
Schuh und die
Kristalle
nässen Fleischs
Haar man um-
stellte die
Welt mit ver-
steckten Schall-
schutzmauern
61.
wieso so
fragte sich
Fleisch erleb‘
ich in dem
Getümmel
das Gefühl
von einer
Ekstase
von Leibern
niemals nicht
62.
heute trug
Fleisch eine
Maske er
wollte mal
unerkannt
so richtig
zeigen wer
er wirklich
im Herzen
im Kopf sei
63.
sie malte
auf seinem
Rücken ein
östliches
Schriftzeichen
mit ihren
Fingern Fleisch
gefiel es
er war jetzt
gezeichnet
64.
Fleisch atmet
auf als er
den Schuh löst
die feuchte
Socke vom
Fuß streift und
mit seinen
Zehen das
Einmaleins
der Lust schreibt
65.
gräuliche
Figürchen
aus Plastik
laufen berg-
ab ins Grab
ins tiefe
Massengrab
auf Wieder-
sehen im
Massengrab
66.
Fleisch rannte
im Park und
es quälten
Probleme
ihn doch es
kreuzte ein
Kaninchen
seinen Weg
und was weh
tat verschwand
67.
Omphalos
dachte Fleisch
als sie ihm
sanft seinen
Bauchnabel
ausleckte
er sagte
Omphale
zu ihr und
lachte laut
68.
wie ein Hund
wollte Fleisch
leben wie
ein Köter
räudig sein
dürfen als
sie ihn streng
bei Kaffee
und Kuchen
verhörte
69.
Fleisch flog einst
die Allee
in Richtung
Wurstbude
hinab die
Arme seit-
wärts ausge-
streckt und die
Beine leicht
abgespreizt
70.
ruhig ging
Fleisch diesen
Bürgersteig
entlang und
hörte still
dem Klacken
der Schuhe
zu das mit
Schwung um die
Ecke bog
71
wie eine
Wunde hat
sich Fleisch für
kurze Zeit
geöffnet
und lässt den
Duft seiner
Seele in
die Welt hin
aus fahren
72
manchmal kam
es Fleisch vor
wenn er mehr
und mehr mit
sich zu tun
hatte dass
er nach und
nach seine
Abmessung
verlöre
73
stecke mir
ein Blümchen
in meinen
Nabel und
singe mir
deinen Wunsch
mit klaren
Worten vor
bat Fleisch die
Geliebte
74
ach mit den
Streichhölzern
der Augen
zünde doch
die Lunte
an die mir
soweit aus
der Nase
hängt dass Fleisch
drüber fällt
75.
flirrend im
Tageslicht
der Städte
wünschte sich
Fleisch ganz ganz
fest dass er
sich sagen
könnte das
Leben es
lebe ihn
76
ich bin nichts
weiter als
ein Stück Fleisch
dachte Fleisch
und war sehr
erregt ob
seines Ein
falls er sprach
es fast wie
ein Gebet
77
die uner
müdliche
Ausdauer
der sieben
Schachspieler
auf dem Platz
die hätte
Fleisch gern wenn
der Traum ihn
umklammert
78
zwar schnitt Fleisch
tief im Kopf
seinem Feind
Rot eine
Grimasse
aber das
Kind auf dem
Arm lachte
ihn dennoch
ganz lieb an
79
fahr mit mir
ans Meer ach
fahr mit mir
doch an Meer
trällert Fleisch
vor sich hin
dann schwimmen
wir nämlich
im selben
Element
80
Waschbrettbauch
dachte Fleisch
so was hab
ich nicht und
ließ kleine
Kügelchen
aus Brotteig
seinen Bauch
lustig hin
ab rollen
81
entsprechend
der fremden
Sitte nahm
Fleisch seine
Wünsche und
den Hefter
zur Hand und
heftete
sie an die
Baumblätter
82
manchmal saß
das Leben
Fleisch fest im
Nacken so
dass er beim
Gehen mit
den Lippen
über den
Sand schleifte
wie ein Depp
83
in einer
Nacht suchte
Fleisch Stunden
lang den Mond
am Himmel
er fragte
alle Leut
doch niemand
wusste wo
der Mond war
84
als Fleisch mit
einer Frau
zusammen
lag wollte
er von sich
erzählen
sie sagte
nein zog sich
an und kam
nie wieder
85
morgens tritt
Fleisch auf den
Balkon und
berichtet
den zwei drei
Pflanzen die
er besitzt
in kurzen
Worten den
Traum der Nacht
86
wo sind die
lasziven
Mädchen hin
fragte Fleisch
keuchend und
wehrlos im
Schwitzkasten
der strengen
Matrone
feststeckend
87
bei Regen
lief Fleisch durch
den Park in
dicken und
ganz fetten
Tropfen fiel
das Wasser
herab dass
niemand Fleisch
weinen sah
88
Fleisch legte
sich auf die
Erde und
hörte den
Würmern zu
so konnte
er endlich
wieder fest
schlafen als
wärst du da
89
in einer
Mülltonne
lebte Fleischs
geistiger
Bruder der
ihm weiter
half wenn er
wie so oft
ganz dumm im
Kopfe war
90
sie schlugen
Fleisch eines
Abends so
richtig doll
aufs Maul weil
sein Kussmund
die Jungs in
sabbernde
Verlegen
heit brachte
91
tausendmal
schrie Fleisch die
Nelke an
dass er die
Frau liebte
aber die
Nelke sprang
nicht auf und
unternahm
rein gar nichts
92
Fleisch wusste
es sind nur
die Reichen
mit ihren
Milliarden
die uns die
Hölle auf
Erden auf
unsren Wunsch
besorgen
93
die Frau mit
der Peitsche
lachte von
oben auf
Fleisch herab
und fügte
ihm rote
Striemen zu
Fleisch flehte
mehr mehr mehr
94
wie ein Hund
schnupperte
Fleisch an dem
Strauch im Wald
ob er noch
den Geruch
von der trug
die hier vor
Jahren ihr
Wasser ließ
95
Nichtigkeit
des Tiefsinns
spürte Fleisch
hinter der
Stirn als er
sie sprechen
hörte von
dem was zu
tun sei jetzt
zu tun sei
96
den Grund der
Kindheit hat
Fleisch damals
verloren
seitdem hängt
er in der
Luft wie ein
Auto auf
der vollen
Autobahn
97
in seinem
Gitterbett
hörte Fleisch
das Schlagen
der Uhr die
Stunde um
Stunde schlug
als er Kind
war damals
im Kindbett
98
Fleisch denkt an
die Zeit als
er aus dem
Fenster auf
den Weiher
sah und der
Zug fuhr am
Ufer vor
bei in die
Welt hinaus
99
auf dem Spiel
platz zeigten
zwei Kinder
mit ihren
Fingern auf
Fleisch damals
erkannte
Fleisch dass die
Welt rund ist
wie Scheiße
100
Fleisch riss die
Blätter vom
Kastanien
baum als er
jung war denn
er hätte
für ihre
Schönheit selbst
einen Baum
erschlagen